19 Juni Offener Brief: BVRD.at fordert Corona-Bonus für Sanitäter:innen
Sehr geehrte Bundesregierung!
Was es bedeutet, Sanitäter:in zu sein – in diesem Land, in dieser Zeit, in einer Pandemie unter diesen organisatorischen Voraussetzungen – erleben wir in den letzten Tagen und Monaten sehr deutlich.
Egal ob freiwillig, im Zivildienst oder beruflich, Sanitäter:innen waren und sind stets die ersten bei den Patient:innen. Als am Anfang der Pandemie den Ärzt:innen und Pfleger:innen in den Krankenhäusern geklatscht wurde, haben wir mitgeklatscht. Denn wir wussten, was es bedeutet, stundenlang in Schutzanzügen schwerste Arbeit zu verrichten und wir wussten nur allzu gut, wie schwer Verantwortung im Ausnahmezustand wiegt.
Tagtäglich haben wir in denselben Schutzanzügen Menschen im Notfall unter oft schwierigsten Bedingungen versorgt, über viele Stockwerke getragen, im Rettungs- und Krankenwagen transportiert. Wir waren im Kontakt mit Menschen, die Selbstschutzmaßnamen nicht verstanden haben oder verstehen wollten, haben Menschen in Notsituationen betreut und versorgt, von denen wir nicht wussten, ob und wie ansteckend sie sind – und das Tag und Nacht bei jedem Wetter unter oft widrigsten Umständen. Übernacht wurde auch für uns die Ausnahme zur täglichen Routine, wenn wir in jeder Schicht Infektionstransporte oder gar Intensivtransporte mit Covid-Patienten durchführten und im Anschluss die Fahrzeuge selbst desinfizieren und unsere Uniformen waschen mussten. Für uns hat niemand geklatscht.
Dann sollten wir testen. Eine schnelle Gesetzesänderung machte das möglich. Wir begaben uns in die Wohnungen von Infizierten, um Abstriche zu nehmen oder arbeiteten in Teststraßen. Aber niemand testete die Sanitäter:innen. Obwohl wir in Altersheimen und Krankenhäusern auf allen Stationen ein und aus gingen. Die meisten von uns waren dazu angehalten, öffentliche Teststraßen in Anspruch zu nehmen. Wir konnten alle anderen testen, außer uns selbst.
Dann sollten wir impfen. Auch das wurde schnell entschieden und gesetzlich angepasst. Ein Konzept zur dazugehörigen Ausbildung und zum tatsächlichen Einsatz bleibt bis heute aus.
Dieses Bild zeigt den Zustand und die Problematik der präklinischen Notfallversorgung und den Umgang mit einer Tätigkeitsgruppe ohne Fürsprecher sehr deutlich auf. Sanitäter:innen sind der Spielball zwischen Politik und Rettungsdienstbetreibern, zwischen öffentlichem Interesse und öffentlicher Wahrnehmung.
Die Regierung hat nun ein Gesetz beschlossen, das die Ausschüttung eines Corona-Bonus ermöglicht. Sanitäter:innen werden dabei nicht berücksichtigt. Die Begründung dafür lautet, dass die Hilfsorganisationen für alle Leistungen während der Pandemie umfangreich abgegolten wurden und die Auszahlung eines Bonus in deren Verantwortung liegt. Wir erachten es als Aufgabe der Politik, dafür Sorge zu tragen, dass Sanitäter:innen dieselbe Wertschätzung zuteil wird wie allen anderen Berufs- und Tätigkeitsgruppen, die maßgeblich zur Bewältigung der Corona-Pandemie beitragen.
Es ist nachvollziehbar, dass Kostenbeiträge nicht unendlich und im Gießkannenprinzip ausgeschüttet werden können. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb ausgerechnet die, die im Notfall immer als erstes für die Menschen da sind, alleingelassen und übergangen werden. Von den politisch Verantwortlichen, aber auch von den eigenen Organisationen. Hier muss sich etwas ändern!
Alle Sanitäter:innen im Rettungsdienst, im Krankentransport, bei den Corona-Testteams und in Impfstraßen haben sich Anerkennung und Wertschätzung im selben Ausmaß wie Ärzt:innen und Pfleger:innen verdient. Alle beruflichen und im Zivildienst als Bonus, alle, die freiwillig tätig sind zumindest in der Form eines steuerlichen Ausgleichs in derselben Höhe. Dabei darf es keinen Unterschied machen, für welche Organisation jemand tätig ist. Es geht darum, als Sanitäter:in tätig zu sein.
Auch Sanitäter:innen zählen zu den Gesundheitsberufen. Sie treffen bei Notfällen eigenverantwortlich Entscheidungen und arbeiten häufig unter Druck. Je nachdem, wo sie in Österreich arbeiten, legen sie periphervenöse Zugänge, verabreichen eine Reihe an Medikamenten, sichern Atemwege und vieles mehr. Es erscheint deshalb als äußerst verwunderlich, warum diese Berufsgruppe nicht berücksichtigt wurde.
Sie haben als Bundesregierung die Sanitäter:innen in der Reihenfolge der COVID-19-Impfungen korrekterweise als eine der ersten Berufsgruppen überhaupt gereiht (1. Priorität, sehr hoch: medizinisches Personal der Kategorie I). Unsere Meinung nach steht dies im Widerspruch damit, dass nun alle Sanitäter:innen bezogen auf den „Corona-Bonus“ leer ausgehen. Weniger als um das Geld geht es dabei um die symbolische Wertschätzung bzw. die Geringschätzung und Demütigung, die wir nun – einmal mehr – erfahren müssen.
Diese Situation zeigt wieder einmal nur zu deutlich, dass dringender Handlungsbedarf für eine Reformierung des Sanitätergesetzes gegeben ist, die keine halbherzige Novellierung sein darf, sondern den Sanitäter:innen im Land die fundierte gesetzliche Basis und wertschätzende Anerkennung geben muss, die sie seit Jahren mehr als verdient haben.
Wir erwarten hier ein deutliches Signal der Politik und stehen als einzige organisations- und trägerunabhägige Fachvertretung für Sanitäter:innen in Österreich für konstruktive Gespräche jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
für den Vorstand des BVRD.at
Erwin Feichtelbauer, Präsident