13 Dez. Für einen Paradigmenwechsel in Qualität und Ausbildung
„Ist nach einer Ausbildungsadaptierung bei Sanitätern und Notärzten die Qualität der präklinischen Patientenversorgung nun besser?“
Das war die Fragestellung der Podiumsdiskussion beim 7. ÖGERN Symposium zum Thema „Recht im Einsatz“ am 8.11. in Innsbruck, bei der sich der BVRD.at in Vertretung der Sanitäter*innen einbrachte.
Für einen Paradigmenwechsel in Qualität und Ausbildung
Natürlich möchte man meinen, dass Ausbildungsadaptierungen für Sanitäter*innen und Notärzt*innen die Versorgungsqualität verbessern. Doch was bedeutet „besser“ in diesem Zusammenhang; und besser für wen? Die Frage um Qualität im Rettungsdienst und die eingesetzten Kräfte und Ressourcen ist wesentlich komplexer, als es auf ersten Blick scheint.
Woher wissen wir, wie gut wir sind?
Zwei Faktoren machen es aktuell schwierig bis unmöglich zu beurteilen, wie gut der Rettungsdienst in Österreich aufgestellt ist: Erstens fehlt eine fundierte Auseinandersetzung mit der Frage, woran man Qualität in der Präklinik überhaupt festmacht und zweitens gibt es kaum Daten, an denen Qualitätsentwicklungen gemessen werden könnten.
Was ist Qualität im Rettungsdienst?
Im Rettungsdienst gibt es viele Stakeholder: die Krankenkassen, die Patient*innen, ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeiter*innen, Gesetzgeber auf Landes- und Bundesebene, die Gemeinden und nicht zuletzt die Betreiberorganisationen. All diese Anspruchsgruppen haben sehr unterschiedliche Sichtweisen auf die Frage, was Qualität im Rettungsdienst ausmacht und wie man sie verbessern könnte. Während die einen Kosten und eingesetzte Ressourcen als Maßstab nehmen, geht es den anderen um hohe medizinische Kompetenz.
Deshalb geht es zentral um die Frage, wer in der Verantwortung ist, Qualitätsansprüche nicht nur zu diskutieren, sondern sie festzulegen und auch konsequent zu prüfen. Hier könnte man beispielsweise hinterfragen, ob es haltbar und zeitgemäß ist, dass anbietende Rettungsorganisationen vielerorts die Qualitätsstandards ihrer geleisteten Arbeit selbst definieren.
Am Ende des Tages geht es um die betroffenen Patient*innen; Bürger*innen, die rasche medizinische Hilfe benötigen. Rückt man sie in der Diskussion um Qualität im Rettungsdienst konsequent in den Vordergrund, gelingt eine weit weniger ideologisch behaftete und sachlichere Debatte mit dem Ziel einer besseren Versorgungsqualität für die Bevölkerung. Das ist der Anspruch des BVRD.at.
Wir können nur verbessern, was wir messen und auswerten
Ohne präklinische Forschung werden wir in der Frage der Verbesserung kaum sichtbare Fortschritte machen. Nicht, weil wir uns nicht weiterentwickeln würden, sondern weil Entwicklungen nicht belegen können. Das ist ein wissenschaftlicher Auftrag, der in der Präklinik in Österreich derzeit nicht oder in weit zu geringem Maße erfolgt.
Verbesserungsmaßnahmen beschränken sich aktuell entweder auf technologische Weiterentwicklungen (z.B. Umstellung auf Tetrafunk) oder die Übertragung medizinischer Erkenntnisse aus anderen Ländern oder anderen Bereichen auf den Rettungsdienst (z.B. Freigabe des Larynxtubus). Das Erkenntnispotenzial, das in diesem Bereich schlummert, ist enorm. Und es ist nicht nur von großem wissenschaftlichen, sondern vor allem gesellschaftlichen Interesse, die Präklinik evidenzbasiert und auf Österreichische Rahmenbedingungen abgestimmt weiterzuentwickeln.
Kompetenzen adäquat einsetzen
Die beste Ausbildungsreform – egal auf welcher Ebene – wird präklinisch nichts bewirken, solange Rettungspersonal nicht ausbildungsadäquat eingesetzt wird.
Denn die Versorgungsrealität entspricht in Österreich einem wahren Fleckerlteppich: mit hohen Kompetenzen ausgestattete Notfallsanitäter*innen werden für Krankentransporte eingesetzt, Zivildiener und Rettungssanitäter*innen sind die Ersteintreffenden bei Großschadensereignissen, Notärzt*innen sind mit Notfällen, für die es Standardalgorithmen gibt, gebunden oder verrichten nichtärztliche Tätigkeiten, weil Rettungssanitäter*innen die Ausstattung und die Kompetenzen fehlen.
Der Ruf engagierter Sanitäter*innen – unabhängig davon ob beruflich oder freiwillig – nach einer besseren Ausbildung kommt nicht zuletzt daher, dass sie sich häufig in Situationen wiederfinden, für die sie nicht adäquat ausgebildet wurden. Notärzt*innen wiederum klagen darüber, wie viele unnötige Einsätze sie absolvieren müssen. Die größten Verlierer dabei sind betroffene Patient*innen.
Fokus auf Skills und Zusammenarbeit
In der Ausbildung zukünftiger Notärzt*innen wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen, der beispielhaft ist: denn neben den Stunden, die in der Aus- und Fortbildung absolviert werden müssen, rücken zunehmend die Skills – also die Fähigkeiten und Fertigkeiten – in den Vordergrund. Sie sollten unbedingt auch in die Diskussion um die Weiterentwicklung des SanG einfließen.
Ein Bereich, der an Bedeutung zunimmt jedoch auch in der neuen Notärzt*innen-Verordnung völlig vernachlässigt wird, ist die Zusammenarbeit jener Berufs- und Tätigkeitsgruppen, die im Alltag als Team auftreten. „Crew Resource Management“ ist zwar in aller Munde, jedoch nicht in der Ausbildung abgebildet. Dabei hat genau diese Nahtstelle das größte und weitreichendste Potenzial für einen qualitativen Quantensprung in der präklinischen Versorgung.
Fazit
Bei der Frage nach dem Potenzial für die Weiterentwicklung der Präklinik sind sich unsere Mitglieder sehr einig: eine Verbesserung der Ausbildung mit Durchlässigkeit in andere Gesundheitsberufe, Qualitätsmanagement im Rettungsdienst und fachliche Anerkennung. Die drei Bereiche sind eng miteinander verwoben und hängen unmittelbar mit der Frage der Verbesserung der Qualität der Patient*innenversorgung zusammen.
Deshalb wünschen wir uns als Bundesverband Rettungsdienst zur aufgeworfenen Frage drei Dinge: ein Berufsbild für Sanitäter*innen mit Perspektiven und Durchlässigkeit; mehr präklinische Forschung und ein flächendeckendes, unabhängiges Qualitätsmanagement mit dem Ziel der Weiterentwicklung des Rettungsdienstes.